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Influencer im Fokus von internen Untersuchungen: Eine neue Ära der digitalen Forensik

Die Influencer-ÖkonomieÖkonomie hat einen geschätzten Wert von 104 Milliarden Dollar erreicht und wird voraussichtlich auf eine Marktgröße von mehreren Billionen Dollar anwachsen. Dieser rasante Aufstieg des Social-Media-"Creator"-Ökosystems hat in der Folge zu einer völlig neuen Art von Rechtsstreitigkeiten und Untersuchungen geführt. Da Unternehmen immer mehr Geld in Influencer-Werbung und Partnerschaften investieren, wird es mit Sicherheit zu mehr Rechtsstreitigkeiten kommen. Bei solchen Fällen werden wichtige Fakten und relevante Interaktionen oft in Social-Media-Konten und Messaging-Werkzeugen gespeichert, was eine Vielzahl von Herausforderungen mit sich bringen kann, wenn es darauf ankommt, auf Beweise zuzugreifen, sie zu sammeln und zu sichten. 

In den letzten Jahren haben zahlreiche Fälle, in denen Influencer involviert waren, die Gerichte und Behörden beschäftigt. Der Fyre-Festival-Skandal ist wahrscheinlich der größte und bemerkenswerteste Fall, bei dem zahlreiche Prominente an irreführenden Social-Media-Posts beteiligt waren, um für eine Veranstaltung zu werben, die letztlich eine große Katastrophe war. Es kam zu Einzel- und Sammelklagen gegen den Organisator der Veranstaltung und einige der beteiligten Prominenten. Im Influencer-Ökosystem haben sich die Fälle über vertragliche Streitigkeiten zwischen Influencern und den Unternehmen, die sie engagieren, bis hin zu behördlichen Untersuchungen wegen Verstößen gegen Regularien der FTC oder SEC, falscher Werbung, Betrug und mehr erstreckt. Nach geltendem Recht können alle an Influencer-Kampagnen beteiligten Parteien, darunter Werbetreibende, ihre Agenturen und einzelne Influencer, für Verstöße haftbar gemacht werden. 

Für Fachleute und Ermittler der digitalen Forensik stellen diese Fälle eine besondere Herausforderung dar. Sie erfordern häufig die Erfassung einzigartiger, moderne und teilweise flüchtiger Datentypen und großer Informationsmengen aus komplexen Quellen, die nicht nur schwierig zu erfassen sind, sondern auch nicht mit herkömmlichen Instrumenten der digitalen Forensik und eDiscovery kompatibel sind und deren Überprüfung kompliziert ist.

Unser Team hat kürzlich einen Fall bearbeitet, in den ein bekannter Social-Media-Influencer verwickelt war. Die Untersuchung erforderte die Sammlung von Daten aus Discord, Twitter, Instagram und anderen persönlichen Konten des Influencers. Im Laufe dieses Falls stießen wir auf eine Reihe von Herausforderungen, die sich aus den betroffenen Datenquellen ergaben, aber auch aus der Art und Weise, wie eine aktive Untersuchung durchgeführt wird über einen Influencer, der mit einer hohen Frequenz auf seinen Social-Media-Konten postet. Aus diesen Herausforderungen lassen sich mehrere Lehren ziehen, die den Rechts- und Ermittlungsteams bei der Vorbereitung auf künftige ähnliche Fälle helfen können. Dazu gehören:

  • Zugang. Ursprünglich wurde der Influencer angewiesen, die benötigten Informationen von jedem der in Frage kommenden Social-Media-Konten selbst zu sammeln. Die damit verbundenen technischen Herausforderungen und die mangelnde Kooperation des Influencers bei der Befolgung der Anweisungen zur Selbstsammlung führten jedoch dazu, dass tatsächlich eine forensische Sammlung durchgeführt werden musste. Dies erforderte, dass sich unser Team Zugang zu jedem der Konten des Influencers verschaffen und die Datenerhebung persönlich mit dem Influencer abschließen musste, während er in seinen Konten eingeloggt war. Gerade bei flüchtigen Daten, z.B. zeitlich ablaufender Posts, ist der Einsatz spezieller Tools und der richtigen Strategie entscheidend für die Erhaltung der Beweismittel.  
  • Aktivität von Influencern. Die meisten Influencer sind vertraglich verpflichtet, regelmäßig zu posten, in der Regel innerhalb einer vorher festgelegten Frequenz. Auch in diesem Fall war der Influencer verpflichtet, den ganzen Tag über online zu sein und Nachrichten zu posten und zu beantworten. Um jedoch eine forensische Erfassung der Konten durchführen zu können, musste unser Team eingeloggt sein, ohne dass während der Datensammlung irgendwelche Aktivitäten auf den Konten stattfanden. Es war äußerst schwierig, einen Weg zu finden, den Influencer lange genug offline zu halten, um die Daten von Konten mit Millionen von Followern und Hunderttausenden von täglichen Nachrichten zu sammeln.

Es war nicht nur schwierig, dem Influencer zu erklären, warum er seine Konten für längere Zeit ruhen lassen musste, während wir Daten sammelten, es floss auch eine enorme Menge an Echtzeit-Informationen über die Aktivitäten und Nachrichten seiner Follower ein. Dies war ein völlig neuer Arbeitsablauf für die Datensammlung und erforderte vom Team die Überwindung zahlreicher technischer und operativer Hürden in der Anfangsphase des Falles. 

  • Sensible Inhalte. Eine zusätzliche Herausforderung bei dieser Art von Ermittlungen besteht darin, dass einige der Inhalte hochsensibler Natur oder bei Außenstehenden sehr begehrt sein können und somit ein Ziel für Datendiebstahl darstellen. In einigen Fällen kann es sich bei den von einer Untersuchung betroffenen Daten beispielsweise um einen Schatz an Informationen zu aktuellen Ereignissen oder um hochbrisante Themen handeln. Dies kann zu Problemen bei der Auswahl verschiedener Technologien oder Partner für die Untersuchung führen, da bei der Übertragung, Speicherung und dem Schutz der Daten ein hohes Maß an Vorsicht geboten ist. Jeder, der mit den Daten umgeht, kann zur Zielscheibe für böswillige Akteure werden, die auf die Informationen zugreifen wollen. 
  • Datenmengen. Obwohl die Angelegenheit nur eine zu untersuchende Person betraf, war die Menge an Informationen, die sich in jedem der Konten befand, astronomisch. Der geschätzte Zeitaufwand für die Datensammlung übertraf bei weitem alles, was wir bei anderen komplexen Datentypen erlebt hatten. Jedes Konto auf den verschiedenen Plattformen enthielt Millionen von Artefakten, die als potenziell relevant für die Untersuchung eingestuft wurden. Die für die Datenextraktion genutzten Schnittstellen sind oft auch nicht für einen Massenexport ausgestattet, was ebenfalls im Fall zu berücksichtigen war.
  • Neue Datenquellen. Die Angelegenheit umfasste Datenquellen, die noch nie von Experten für digitale Forensik getestet oder gesammelt worden waren. Bei der Erfassung von Discord, wo lange Chat-Threads zwischen dem Influencer und seinen Followern enthalten sind, stießen wir auf noch nie dagewesene Datenmengen und technische Herausforderungen. Innerhalb dieser Plattform kann ein bestimmter Nutzer in vielen Servern, Gruppen und Chat-Kanälen vertreten sein. Es ist jedoch nicht möglich, ausschließlich bestimmte Nachrichten von bestimmten Nutzern zu sammeln. Vielmehr muss jede Nachricht innerhalb eines Servers oder Kanals erfasst werden. Dieser Influencer hatte mehrere Kanäle und private Nachrichten, die manuell erfasst und für die Untersuchung aufbewahrt werden mussten.  

Andere neue Datenquellen, selbst solche, die als Mainstream gelten, wie Microsoft 365 und Slack, können bei einer Untersuchung ähnliche Herausforderungen mit sich bringen. Diese Herausforderungen beginnen bereits bei der Identifizierung der in Frage kommenden Quellen. Sobald das Team weiß, wo sich relevante Daten befinden, kann es zahlreiche Hindernisse bei der Erfassung dieser Daten und ihrer Aufbereitung in Form von Formaten geben, die durchsucht, überprüft und extrapoliert werden können, um aussagekräftige Erkenntnisse für die Untersuchung zu gewinnen und sie später den Aufsichtsbehörden oder dem gegnerischen Anwalt vorzulegen. Ohne ein Team von Experten für neue Datenquellen besteht die Gefahr, dass die Untersuchung nicht richtig eingegrenzt wird oder dass wichtige Informationen übersehen werden, was sich möglicherweise nachteilig auf den Fall auswirkt.   

  • Kompatibilitätsprobleme. Keines der derzeit verfügbaren digitalen Forensik- und e-Discovery-Tools war in der Lage, die in dieser Angelegenheit betroffenen Social-Media- und Chat-Daten zu erfassen. In einigen Fällen können Social-Media-Daten erfasst werden, indem man einen nativen Download vom Plattformanbieter vornimmt und dieses Archiv zur Beweissicherung verwendet. Der Umfang der Informationen in den Konten dieses Influencers war jedoch so groß, dass die nativen Sammlungen zusammenbrachen und keines der Tools die Komplexität und das Volumen des Datensatzes bewältigen konnte. Daher musste unser Team neuartige Workarounds entwickeln und einen erheblichen Anteil an manueller Arbeit leisten, um sicherzustellen, dass alles erfasst wurde. Im Allgemeinen müssen die für digitalforensische Untersuchungen verwendeten Tools ständig aufdatiert werden, da sie für die Verarbeitung bestimmter Datentypen und kleinerer Datenmengen entwickelt wurden und die Social-Media-Plattformen ihre Backend-Infrastruktur und APIs ständig ändern. 
  • Strenge Anforderungen. Untersuchungen von Influencern sind oft auf Verstöße gegen Vorschriften zurückzuführen. Dieser Fall war Teil einer Vorladung der US-Börsenaufsicht SEC, die sehr strenge Richtlinien für den Umfang der zu liefernden Daten und die Art und Weise hatte, wie diese extrahiert und produziert werden. Jeder Schritt musste genau und gerichtsfest sein, ohne Raum für Fehler. Die Erfüllung der Anforderungen bei dieser Art von Untersuchungen wird angesichts der Komplexität der betroffenen Daten immer schwieriger. Ohne ein Verständnis für die Feinheiten der Plattformen und Datenquellen besteht ein erhebliches Risiko, die behördlichen oder gerichtlichen Anforderungen an die Datenproduktion nicht zu erfüllen. 
  • Komplexe Datenschutzfragen. Influencer haben eine große Reichweite und kommunizieren jeden Tag direkt mit Millionen von Menschen. Wenn Daten von Influencern für eine Untersuchung gesammelt werden, werden wahrscheinlich auch bestimmte Informationen über oder Nachrichten von und mit den Followern des Influencers - von denen einige auch minderjährig sein können - erfasst. Wenn diese Informationen den Aufsichtsbehörden vorgelegt werden, werden sie unter Umständen öffentlich. Die meisten Menschen denken nicht über ihre digitalen Fingerabdrücke nach, die sie hinterlassen, wenn sie mit Influencern in den sozialen Medien in Kontakt treten, und sind sich auch nicht der Auswirkungen bewusst, die diese Aktivitäten haben können. Dies kann zu einigen schwerfälligen Herausforderungen in Bezug auf den Datenschutz führen, denen sich die Rechtsteams bei der Durchführung solcher Untersuchungen bewusst sein müssen. 

Jedes Unternehmen, das im Rahmen seiner Marketing- und Werbestrategie mit Influencern zusammenarbeitet, sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass diese Vereinbarungen zunehmend zu Streitigkeiten, Untersuchungen und behördlichen Anfragen führen. Darüber hinaus ist es für Rechtsteams von entscheidender Bedeutung, die hochkomplexe Natur der Beweiserhebung über die Social-Media-Konten und -Aktivitäten von Influencern zu verstehen - insbesondere, da die Grenzen zwischen geschäftlichen und persönlichen Informationen sowie zwischen geschäftlichen Transaktionen und Social-Media-Aktivitäten immer mehr verschwimmen. Ein frühzeitiges Verständnis der allgemeinen Herausforderungen kann Rechtsteams dabei helfen, sich auf die wahrscheinlich auftretenden Datenprobleme vorzubereiten, sodass sie Erwartungen managen und Strategien festlegen können, wenn sie mit einer solchen Angelegenheit konfrontiert werden.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Englisch verfasst von Sean McDermott und Ernesto Espiritu Jr., FTI Technology.

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